Der Historiker Hans Petschar denkt weit voraus: Als Direktor des Bildarchivs und der Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek hat er täglich mit umfangreichen Beständen aus vergangenen Zeiten zu tun – und setzt gleichzeitig auf die Digitalisierung des kulturellen Erbes. Seit Kurzem können auch my-picturemaxx User auf das digitale Bildarchiv der Bibliothek zugreifen. Im Interview erklärt der Experte, welche Vorteile das hat und warum es auch für Bibliotheken und Museen wichtig ist, an die Zukunft zu denken.
Herr Dr. Petschar, Sie sind Historiker und haben als Direktor von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek tagtäglich mit der Geschichte Österreichs zu tun. Was fasziniert Sie täglich immer wieder von Neuem daran?
Dr. Hans Petschar: „Hier in der Österreichischen Nationalbibliothek gibt es eine schier unerschöpfliche Anzahl von Quellen, sie ist ja die Nachfolgerin der Hofbibliothek und beherbergt auch die Familienbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen. Das sind wahnsinnig umfangreiche und tolle Bestände – ob es Dokumente sind, Bücher, Bilder, Grafiken, Fotos, Karten, auch Handschriftliches. Das alles möchten wir einem möglichst großen und allgemeinen Publikum zugänglich machen und bereiten es deshalb immer wieder neu für unsere aktuellen Ausstellungen, unser ‚Schaufenster zur Welt‘, wie ich es immer nenne – auf. Ich bin jedes Mal fasziniert, was ich da selbst jedes Mal Neues entdecke. Das macht meine Arbeit einfach wahnsinnig spannend.“
Sie sind mit 500.000 historischen Bildern auch digital im Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek präsent, das Thema Digitalisierung des kulturellen Erbes liegt Ihnen auch persönlich sehr am Herzen. Warum ist es wichtig, auch digital vertreten zu sein?
Dr. Hans Petschar: „Die ganze Welt ist digital geworden. Und das in allen Lebensbereichen, dazu gehört natürlich auch das kulturelle Erbe. Eine Bibliothek wie unsere verwaltet nicht nur historische und aktuelle Bestände, sondern möchte diese auch allen Benutzer:innen zugänglich machen wie in unserer Vision „Wir öffnen Räume“ festgehalten. In der Pandemie haben wir mehr als eine Million Objekte zusätzlich digitalisiert und auf unserer Bibliotheksplattform zur Verfügung gestellt. Das war wichtig und das ist es immer noch, denn viele Forscherinnen und Forscher arbeiten von zu Hause, auch Studierende und so erreichen wir viel mehr Menschen.“
Welche Aufgaben hat das digitale Archiv – und inwieweit ergänzt es die Bibliothek, anstatt mit ihr zu konkurrieren?
Dr. Hans Petschar: „Durch die Digitalisierung können wir andere und breitere Nutzerkreise erreichen, und das schneller und einfacher. Es hat aber noch einen ganz anderen Vorteil: Denn viele analoge Bestände sind aufgrund ihres Materials gefährdet, vor allem im Bereich der Fotografie. Sie verlieren die Farbe, werden mit der Zeit zerstört, halten nicht für immer. Für diese besonders fragilen Objekte bietet die Digitalisierung einen Schutz, so können wir sie für die Ewigkeit festhalten. Aber es ist auch klar, dass man nicht alles digitalisieren kann. Auch die analogen Bestände werden immer wichtig bleiben. Es wird immer eine Mischung sein, denn auch der Besuch der Bibliothek ist für die Menschen ein Ort für Austausch und Begegnung. Es ist kein Entweder-oder, sondern eine wichtige Ergänzung.“
Digitalisierung klingt so leicht, scheint aber Museen und Bibliotheken vor große Hausforderungen zu stellen. Worin bestehen dabei die größten Hürden?
Dr. Hans Petschar: „Für eine Bibliothek unserer Größe ist die schiere Masse an Quellen und Materialien eine Herausforderung. Das können wir nicht allein bewältigen, sondern nur in Partnerschaft mit Institutionen und Unternehmen. Auch das Thema rechtliche Rahmenbedingungen und Urheberrechte kann eine Hürde darstellen, denn viele gesetzliche Bestimmungen sind auf Print und auf Druckwerke ausgerichtet. Wir haben uns daher erst einmal auf die rechtefreien Bestände konzentriert und solche, bei denen wir die Rechte besitzen.“
Seit Dezember steht Ihr Bildarchiv auch den my-picturemaxx Usern zur Verfügung. Warum haben Sie sich entschieden, die Bilder hier einem noch größeren Publikum zugänglich zu machen – und warum über picturemaxx?
Dr. Hans Petschar: „Ein Grund ist, dass wir damit viele Verlage, Zeitungen, Redaktionen etc. in Deutschland direkt ansprechen können, die sich für das Thema interessieren. Über my-picturemaxx ersparen sie sich einen langen und oft mühsamen Recherche-Weg und können unsere Bestände direkt über die gemeinsame Plattform suchen. Das ist ein großer Vorteil. Wir haben uns einige Datenbanken angesehen. picturemaxx ist ein sehr bewährtes und gut bekanntes System. Mit dem Team und den technischen Möglichkeiten, die es bietet, ist es eine sehr flexible Lösung, die es uns ermöglicht, die Bestände aus unserem eigenen Bibliothekssystem auf einfache Weise weiterzugeben.“
An wen richtet sich das Angebot in erster Linie, wer sind die Nutzer und was fragen sie insbesondere nach?
„Hier in Österreich sind es vor allem Studierende und Forscherinnen und Forscher, die unsere digitalen Bestände nutzen. Die picturemaxx Lösung richtet sich eher an professionelle Gruppen. Wichtige Themen sind historische Fotografien, die Habsburger, Österreich, bis hin zur europäischen Geschichte und immer mehr Zeitgeschichte. Auch der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus sind Themen, zu denen großes Interesse besteht. Wir haben außerdem die Nachlässe von mehr als 40 Fotografen hier bei uns.
Einen weiteren großen Schwerpunkt bilden Porträts von historischen Persönlichkeiten. Wir haben eine Sammlung von mehr als 200.000 historischen Porträts vom 16. bis 19. Jahrhundert, die auch in picturemaxx zu finden sind! Und zwar nicht nur Könige oder Adelige, sondern auch Gelehrte, Abgeordnete, Zoologen usw., die man woanders nicht findet. In unseren habsburgischen Bildersammlungen gibt es einen großen Fokus auf das Thema Natur und Umwelt, Flora und Fauna, wunderbare Tierbilder und Naturdarstellungen. Sie sehen: Hier gibt es nicht nur die österreichische Geschichte zu entdecken, sondern die ganze Welt!“
Das Interview führte Medienjournalistin Julia Gundelach für picturemaxx.
(Quelle: picturemaxx Blog)