Kommentar: Stellungnahme des BMI zu DSGVO und Fotografie

Viele fragen sich, ob das Anfertigen von Personenaufnahmen nach Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 noch zulässig ist. Schließlich stellt das Anfertigen von Personenaufnahmen das Verarbeiten personenbezogener Daten dar und ist nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. In vielen Situationen, bspw. bei Großveranstaltungen, lässt sich eine solche Einwilligung aber gar nicht oder nur mit sehr großem Aufwand von den Betroffenen einholen.

Sowohl die Parteien der Großen Koalition als auch die zuständigen Ministerien sind inzwischen bemüht, der Panik um das neue Datenschutzgesetz entgegegenzuwirken. Sie betonen hierbei, dass sich aus der DSGVO keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien ergeben.

Das Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat sich nun ebenfalls geäußert und teilt mit, dass das KUG auch nach Inkrafttreten der DSGVO weiterhin Anwendung findet.

Eine Mitarbeiterin des BMI schreibt in einem Brief an einen Fragesteller:

"Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine - wie bislang schon - jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der gelten- den EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegen stehe, ist daher unzutreffend.

Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.

Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Aus- gleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit.

Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist , sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit."

Kommentar: Der Gesetzgeber hat seinen Gestaltungsspielraum erkannt, aber dennoch bleibt die Detailarbeit der Rechtsprechung überlassen.

Der deutsche Gesetzgeber hat den Umsetzungsauftrag zur Meinungs-, Informations-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit in der DSGVO gesehen, geht aber fälschlicherweise davon aus, bzw. behauptet, dass die Umsetzung durch das Kunsturhebergesetz (KUG) von 1907 erfolgt ist. Dem tritt die Hamburger Datenschutzaufsicht in einer gut begründeten Stellungnahme entgegen und stellt klar, dass das KUG nur die Veröffentlichung von Aufnahmen regelt, die DSGVO aber schon bei der Aufnahme der Fotos eingreift. Es bedarf einer Rechtsgrundlage. Dass neben der Einwilligung und der Vertragserfüllung (Fotoauftrag) auch „berechtigte Interessen“ als Rechtsgrundlage in Betracht kommen, ist gemeinsamer Konsens. Der juristische Kunstgriff, um die DSGVO auf der Ebene der Rechtsgrundlage für Fotografen handhabbar zu machen besteht nun darin, die „berechtigten Interessen“ mit praktischem Leben zu erfüllen, indem man die Kriterien und Rechtsprechungserfahrung zur Abwägung verschiedener Interessen der Fotografen, der Öffentlichkeit und der fotografierten Personen zur Auslegung weiterhin heran zieht.

Die Stellungnahme der Hamburger Datenschutzaufsicht geht einen Schritt weiter und hilft mit einer Auslegung der Ausnahmevorschriften zur Datenschutzinformationspflicht bei größeren Veranstaltungen in praktischer Hinsicht deutlich weiter.

Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass die DSGVO viel mehr fordert als nur eine Rechtsgrundlage für das Fotografieren zu haben und ggf. von den Informationspflichten befreit zu sein. Vielmehr müssen gleichwohl die Rechenschaftspflichten erfüllt werden. Dazu gehört die Erstellung von Verarbeitungsverzeichnissen, die Dokumentation technisch/organisatorischer IT-Sicherheitsmaßnahmen, der Abschluss von Verträgen zur Auftragsverarbeitung mit entsprechenden Dienstleistern, die Einhaltung der Betroffenenrechte etc. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, als dt. Gesetzgeber Ausnahmen – am besten direkt im Datenschutzrecht - vorzusehen, um den eingangs erwähnten und mit dem Datenschutzrecht in Konflikt stehenden Grundrechte besser zur Geltung zu verhelfen. Hierzu hat die Datenschutzaufsicht den Gesetzgeber aufgefordert – und auch zahlreiche Fotografen und Verbände.

Stellungnahme der Hamburger Datenschutzaufsicht
Rechtliche Bewertung von Fotografien einer unüberschaubaren Anzahl von Menschen nach der DSGVO außerhalb des Journalismus: https://www.filmverband-suedwest.de/wp-c0nt3nt5/up10ad5/2018/05/Vermerk_DSGVO.pdf

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