Kann man gemeinfreie Werke mit den üblichen Agentur-AGB vertreiben?
Üblicherweise sehen Lizenzbedingungen oder sonstige AGB von Bildagenturen die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten, auch Lizenzen genannt, zur Vervielfältigung, Verbreitung und /oder Veröffentlichung an den von ihnen vertriebenen Werken vor. Allerdings kann man nur an etwas urheberrechtliche Lizenzen einräumen, das noch urheberrechtlich geschützt ist.
Ist ein Bild nicht (mehr) urheberrechtlich als Lichtbildwerk, § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, oder durch Leistungsschutzrechte als Lichtbild nach § 72 UrhG geschützt, kann man seinen Kunden keine derartigen Rechte an den Bildern einräumen. Die Konsequenz könnte sein, dass das Rechtsgeschäft (Lizenzkauf des Kunden) auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichtet ist, der Vertrag nichtig ist und der Lizenzbetrag, ggf. sogar mit Schadensersatzleistungen, zurückzuzahlen ist. Zudem drohen Abmahnungen wegen Wettbewerbsrechtsverletzungen, da über eine wesentliche Eigenschaft der Dienstleistung getäuscht wird, § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
Reprofotos als Fall gemeinfreier Fotografien
Ein Fall, bei dem die Leistungsschutzrechte durch den Gesetzgeber weggefallen sind, sind Reproduktionsfotografie von zweidimensionalen Werken. Nachdem der BGH noch in der Entscheidung „Museumsfoto“ vom 20.12.2018 (Az. I ZR 104/17) für die Reproduktionsfotografie von Gemälden ein Leistungsschutzrecht für das Lichtbild zugestanden hatte (siehe hierzu: https://www.fotorecht-seiler.eu/bgh-reprofotos-hausrecht-museumsfotos/), konnte Wikimedia durch Lobbyarbeit erreichen, dass in Art. 14 der Urheberrechtsrichtlinie (EU) 2019/790 eine Regelung eingefügt wurde, wonach Vervielfältigungen eines gemeinfreien Werkes der Bildenden Kunst „weder urheberrechtlich noch durch verwandte Schutzrechte geschützt ist, es sei denn, dieses Material stellt eine eigene geistige Schöpfung dar.“
Diese Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber in § 68 UrhG umgesetzt: „Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke werden nicht durch verwandte Schutzrechte nach den Teilen 2 und 3 geschützt.“ Das führt dazu, dass die vom BGH noch als Lichtbild anerkannten Reprofotos von gemeinfreien Gemälden nun das gleiche Schicksal teilen wie die fotografierten Werke: die Gemeinfreiheit. Darunter versteht man, dass die Werke für die Allgemeinheit frei zur Nutzung ohne Zustimmungs- oder Lizenzerfordernis sind. Der urheberrechtliche Schutz ist abgelaufen oder erst gar nicht entstanden. Möglich bleibt nur ein urheberrechtlicher Schutz als Lichtbildwerk, was jedoch mangels Gestaltungsspielraum bei zweidimensionalen Vorlagen praktisch nicht möglich ist. Jedoch ist bei der Fotografie von Skulpturen und anderen dreidimensionalen Werken durch Perspektive, Beleuchtung etc. noch ausreichend Gestaltungsspielraum für persönliche, geistige Schöpfungen und damit Urheberrechtsschutz der so entstandenen Fotografien.
Rechtefreie Bildbestände
Es gibt also zwei Fallgruppen für rechtefreie Bestände bei Bildagenturen:
1. Fotografien, deren Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers abgelaufen ist, § 64 UrhG. Der Ablauf der Frist tritt immer zum Ende des Kalenderjahres, in das der 70. Todestag fällt, ein, § 69 UrhG.
2. Fotografien von zweidimensionalen Werken, die bereits gemeinfrei waren oder gemeinfrei geworden sind.
Für diese Gruppen von Fotos ergeben sich vor dem Hintergrund der eingangs geschilderten Rechtslage folgende Problembereiche:
1. Der Vertrag mit dem Kunden darf für diese Gruppen von Fotos nicht auf eine urheberrechtliche Lizenz abstellen, sondern muss auf die sonstigen Leistungen der Agentur ausgerichtet sein, wie etwa Beratung, Bildbeschaffung, technische Aufbereitung, inhaltliche Erschließung, Suchfunktionalitäten, Rechtsberatung etc.
2. Das Urheberrecht ist ein dingliches Recht, welches gegen jedermann wirkt, also gegenüber allen und nicht nur gegenüber dem Vertragspartner. Für gemeinfreie Werke gibt es aber kein dinglich wirkendes Schutzrecht mehr. Vertragliche Regelungen zu Nutzungsbeschränkungen wirken nur zwischen den Vertragsparteien, so dass die Agentur gegen einen Dritten, der das Bild anschließend ohne Einwilligung auch nutzt, keinen Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen Verletzung von Urheberrechten geltend machen kann. Wenn also der dingliche Rechtsschutz weg ist, bleibt außer dem vertraglichen zwischen den Parteien nur der technische Schutz, zu dem man als Agentur den Kunden verpflichten kann. Tut man dies nicht, besteht die Gefahr, dass nach dem ersten „Verkauf“ und Zahlung eines „Dienstleistungsentgelts“ beliebige Dritte das Bild nutzen können, ohne dass die Agentur hiergegen etwas unternehmen kann.
Daher haben wir die nachfolgende Klausel entwickelt, um die beiden genannten Aspekte abzudecken. Die Klausel ist als Muster gedacht, welches in bestehende AGB der Agenturen eingefügt werden kann, wobei sie inhaltlich und dem Wording nach an die Gesamt-AGB angepasst werden muss.
Klauselvorschlag für rechtefreie Bilder
Gemeinfreie Bilder
Soweit die Agentur gemeinfreie Bilder vertreibt, gelten folgende Regelungen zur Nutzung dieser Bilder:
1. Gegen die Zahlung eines Entgelts (alternativ: Nutzungsgentgelt – besser: Service- bzw. Dienstleistungsentgelt) gestattet die Agentur dem Kunden (Anmerkung: Lizenznehmer: passt hier nicht, da es mangels Urheberrecht ja auch keine Lizenz geben kann – das muss auch bei der Definition der Parteien eingangs mit erwähnt werden, z.B. „nachfolgender Lizenznehmer oder Kunde genannt“) die Nutzung des Bildes unter der in Ziffer 2 genannten Bedingung. Mit der Zahlung des Entgelts werden die (Service-)Leistungen der Agentur abgegolten. Die Leistungen der Agentur umfassen neben der Bereitstellung der Datei des Bildes, die Beratung zu Fragen des Bildes und der Bildnutzung, die Bildbeschaffung, technische Aufbereitung, inhaltliche Erschließung, Meta-Datenbearbeitung und Suchfunktionalität (Agenturleistungen ergänzen / anpassen!).
2. Der Kunde verpflichtet sich (als Voraussetzung für die Nutzungsgestattung) das Bild durch technische Maßnahmen, wie nachstehend unter Ziffer 3 näher beschrieben, vor Nutzungen durch Dritte so weit zu schützen, wie es die technischen Maßnahmen bewirken. Zudem verpflichtet sich der Kunde, folgenden Agenturvermerk am Bild anzubringen: AGENTURNAME, die Bilddatei kann zur Nutzung bei der AGENTURNAME erworben werden. Bei digitalen Nutzungen, insbesondere im Internet, dürfen die Meta-Daten der Bilddatei (IPTC-Daten) nicht entfernt werden. Hierauf ist auch bei der Wahl der Online- bzw. Social-Media-Plattformen zu achten, auf denen der Kunde die Bilder nutzen will.
3. Der Kunde ist verpflichtet, mindestens eine der folgenden technischen Schutzmaßnahmen bei der Nutzung des Bildes zu ergreifen bzw. ergreifen zu lassen:
a) … transparentes Wasserzeichen
b) … Script / Befehl welches / welcher Frame- bzw. Image-Link unterbindet
c) …
(Bitte geeignete Maßnahmen auflisten – entweder hier oder um flexibler zu bleiben, kann auch auf eine konkrete Webseite verwiesen werden, auf der nähere Infos zu den Maßnahmen aufgelistet sind.).
Der Kunde ist berechtigt, andere mindestens gleich wirksame Schutzmaßnahmen bei der Nutzung des Bildes zu ergreifen, sofern er dies zuvor mit der AGENTUR abgestimmt hat
4. Verstößt der Kunde vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Verpflichtung aus Ziffer 2 oder 3 ist er zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von … (z.B. 200% des vereinbarten Entgelts) verpflichtet (ist eine Frage der Geschäftspolitik, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Verpflchtungen eingehalten werden).
RA David Seiler, www.ds-law.eu
Cottbus, 08.08.2022