Der BVPA-Vorstand hat am 7. Juli 2020 ein Schreiben an das Bundesjustizministerium (BMJV) gerichtet, um damit erneut auf das Problem der Bildlizenzierung für Bildungsverlage durch Bildagenturen aufgrund von Forderungen der VG Bild-Kunst aufmerksam zu machen. Das Schreiben finden Sie nachfolgend im Volltext.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
aktuell wird an einer weiteren Urheberrechtsnovelle im Zuge der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie gearbeitet. Parallel dazu hat sich ein vermeidbarer Konflikt aus dem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) entwickelt. Aus diesem Grund möchten wir Sie hiermit erneut dringend auf das Problem der Lizenzierung von urheberrechtlich geschütztem Material für Bildungsverlage durch Bildagenturen aufgrund von Forderungen der VG Bild-Kunst aufmerksam machen.
Die bisherige, unregulierte Situation stellt sich wie folgt dar: Schulbuchverlage lizenzieren von Bildagenturen und Fotografen Bilder für die Nutzung in Schulbüchern über individuell vereinbarte Verträge auf Basis des Handelsgesetzbuches. Sofern Bildagenturen Lizenzgeber sind, leiten diese die entsprechenden Honoraranteile (i.d.R. 40-60 %) an die von ihnen vertretenen Fotografen weiter. Bei dieser Praxis handelt es sich um ein jahrzehntelang bewährtes Verfahren auf marktwirtschaftlicher Grundlage.
Durch die Novelle des UrhG ist nun bedauerlicherweise eine ungeklärte Situation entstanden, da diese dahingehend ausgelegt wird, dass das UrhG plötzlich in eine Konkurrenzsituation mit anderen Gesetzen, in erster Linie dem Handelsgesetzbuch (Stichwort Vertragsfreiheit), gestellt wird.
Die VG Bild-Kunst vertritt auf Grund der Novelle die unseres Erachtens irrige Rechtsauffassung, dass Bildnutzungen in Unterrichtswerken durch die Schulbuchverlage nicht wie bisher gegenüber den Leistungserbringern, sondern sogar rückwirkend ab 2018 ausschließlich gegenüber der VG Bild-Kunst zu vergüten seien, da die kollektive Lizenzierung zwangsweise der individuellen vorgehe. Die VG Bild-Kunst beruft sich in diesem Zusammenhang auf §§ 60 b, 60 a Abs. 2, 60 h UrhG.
Neben dieser Fehlinterpretation, die aus einer unzureichenden Formulierung entstanden ist, könnte die VG Bild-Kunst auch aus praktischen Gründen dieser Aufgabe unmöglich gerecht werden, da ihr alle notwendigen Mittel zur Umsetzung fehlen, u.a.:
1. eine Bilddatenbank mit entsprechenden Suchmöglichkeiten,
2. die erforderlichen hochauflösenden Bilddateien,
3. ein Werkkatalog (digitales Verzeichnis der Bilder und der dazu gehörenden Urheber),
4. eine Datenbank, die die unterschiedlichen Verträge aller Urheber und Bildagenturen korrekt abbildet,
5. die personelle Ausstattung zur Klärung der vielfach erforderlichen Rechte Dritter (Datenschutz, Recht am eigenen Bild, Markenrechte, Eigentumsrechte etc.) – bisher u.a. Aufgabe der Bildagenturen,
6. die personelle und softwaremäßige Ausstattung, die gewährleistet, dass Zahlungen zeitnah und korrekt an die Zahlungsempfänger distribuiert werden können.
Schulbuchverlage aber benötigen auch weiterhin die Rechercheleistungen und Suchfunktionen sowie das Rechtemanagement und die technischen Leistungen (z.B. druckfähige Vorlagen) von den Bildagenturen.
Die Novelle würde aus Sicht des BVPA und des VBM also ohne Not in einen für alle Beteiligten funktionierenden Markt eingreifen.
Angesichts der o.g. offensichtlichen Mängel wurde sogar selbst seitens der VG Bild-Kunst der Vorschlag unterbreitet, den Wahrnehmungsauftrag an Bildagenturen zu übertragen. Die Bildagenturen würden dann ihrerseits den VG-Anteil direkt an die Urheber ausschütten, denen gegenüber die Bildagenturen bislang ohnehin den Urheberanteil abrechnen.
Wir sind aus vorgenannten Gründen der Meinung, dass die Rechtsauffassung der VG Bild-Kunst nicht zutrifft und nachteilig für alle Beteiligten wäre:
• Bei Schulbuchverlagen und Bildagenturen würde die neue Praxis zu einem signifikant erhöhten Administrationsaufwand und Kontrollverlust führen, da bilateral geschlossene Verträge nun durch eine dritte Instanz abgewickelt würden.
• Auf Seiten der VG Bild-Kunst entstünden durch die notwendige Aufblähung des Verwaltungsapparates erhebliche Anschaffungs-, Personal-, Software- und Verwaltungskosten.
• Für Urheber führt die Novelle überdies vermutlich zu geringeren Einnahmen, da Honoraranteile für Sozial- und Kulturwerk sowie die o.g. Kosten der Administration abgehen würden. Zudem wäre die Bemessungsgrundlage niedriger, weil die Leistungen der Bildagenturen nicht in der Vergütung an die VG Bild-Kunst enthalten wären, sondern direkt mit den Bildagenturen abzurechnen wären.
Fazit: Eine Auslegung der Novelle des UrhG gemäß VG Bild-Kunst würde zu erheblichen Nachteilen für alle Beteiligten führen.
Dies ließe sich durch eine ergänzende Formulierung in § 60g Abs. 1 UrhG vermeiden, die klarstellt, dass individuelle Lizenzvereinbarungen zwischen Bildagenturen und Schulbuchverlagen (gemäß HGB) den Schrankenregelungen vorgehen, z.B.: „Handelsrechtlich geschlossene Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Nutzungsberechtigten, die die durch die §§ 60b, 60h UrhG beabsichtigten Nutzungen ermöglichen, gehen den Schrankenregelungen vor.“
Wir möchten betonen, dass die Bildagenturen erhebliche Leistungen als Werkvermittler für Fotografen und für Bildnutzer erbringen, vergleichbar den Presse- und Buchverlegern. Folgte man der Rechtsauffassung der VG Bild-Kunst, würde man den Bildagenturen ihre wesentliche Geschäftsgrundlage, den Vertrieb von Nutzungsrechten, entziehen, ohne sie hierfür in Form von Ausschüttungen der VG Bild-Kunst zu entschädigen. Dies wäre unseres Erachtens ein klarer Verstoß gegen Art. 14 GG.
Ergänzend verweisen wir auf Ziff. 5 und 6 unserer Stellungnahme vom 31.01.2020 zum Diskussionsentwurf des BMJV vom 15.01.2020 für ein erstes Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts. Die Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie unseren obigen Vorschlag aufgreifen und damit Rechtssicherheit im funktionierenden Bildmarkt für Bildungsverlage wiederherstellen würden, anstatt durch eine weiterhin ungeklärte Rechtssituation ein langwieriges, unsinniges und kostenintensives Schiedsstellenverfahren zu verursachen. Sollte die Auslegung nicht eindeutig geklärt werden, sähe sich der BVPA im Namen seiner Mitglieder gezwungen, entsprechende juristische Schritte zu ergreifen.
Gerne stehen wir jederzeit für ein Gespräch bereit.
Mit freundlichen Grüßen
BVPA-Vorstand“