BVPAflash: BGH-Entscheidung „Portraitfoto“: Zum Auskunftsanspruch nach § 32d UrhG

Die aktuelle Entscheidung „Portraitfoto“ des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2025 (I ZR 82/24) hat es durchaus in sich.

Ein Berufsfotograf hatte für einen Kunden Fotografien der Geschäftsführerin angefertigt. Der Kunde vertrieb Fitnessgeräte und Nahrungsergänzungsmittel. Die Fotos der Geschäftsführerin wurden dann umfangreich in der Werbung eingesetzt, und zwar auf der Website, einem Teleshopping-Kanal, einem Online-Shop, auf den Produktverpackungen usw. Bezahlt wurde die Aufnahme mit insgesamt 180 Euro. Der Fotograf war für das Unternehmen längere Zeit und in durchaus größerem Umfang tätig gewesen. Der Fotograf verlangte später für mehrere Jahre Auskünfte über Art und Umfang der getätigten Nutzungshandlungen betreffend das eine Portraitfoto.

Nachdem das Landgericht München die Klage zunächst abgewiesen hatte, gab das Oberlandesgericht München der Klage überwiegend statt. Das beklagte Unternehmen ging dagegen in Revision.

Die Revision war jedenfalls insoweit erfolgreich, als der BGH das Berufungsurteil aufhob und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwies.

Der BGH setzte zunächst voraus, dass die Fotografie urheberrechtlich geschützt sei. Der BGH bejahte ferner die Auskunftsansprüche des Fotografen. Angesichts der massenhaften Verwendung der Fotografie liege es nahe, dass die Vergütung von 180 Euro unangemessen niedrig sein könne. Für den Auskunftsanspruch sei es noch nicht notwendig, dass die Gegenleistung tatsächlich unverhältnismäßig niedrig sei. Es genüge, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Vergütung unangemessen niedrig ist und deshalb ein Ergänzungsanspruch des Urhebers bestehen könnte. Dabei stellte der BGH auch fest, dass die Eingriffsschwelle des § 32a UrhG heute niedriger ist, als nach der früheren Rechtslage. Während früher ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung notwendig war, genügt es nunmehr, dass die Vergütung unverhältnismäßig niedrig ist im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werks. Der Blickwinkel sei dabei eine Ex-post-Betrachtung im Nachhinein für die konkrete Verwertung des Fotos. Es komme also darauf an, welche Vergütung bei dieser nachträglichen, rückblickenden Betrachtung für die konkrete Verwertung des Fotos angemessen gewesen wäre.

Der BGH betont, dass ein konkreter Maßstab für die Ermittlung des Vorteils aus der Nutzung des Fotos im Gesetz nicht vorgegeben sei. Es sei Aufgabe des Tatgerichts, eine sachgerechte Bewertungsart auszuwählen. Es sei hingegen nicht Aufgabe des BGH, dem Tatgericht eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben.

Auch ein auffälliges Missverhältnis könne festgestellt werden. Dieses liege jedenfalls dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung betrage.

Eine gänzlich untergeordnete Bedeutung des Portraitfotos konnte der BGH nicht feststellen. Der BGH ließ ausdrücklich offen, ob er an seiner Rechtsprechung festhalten wolle, dass untergeordnete Leistungen keinen Auskunftsanspruch nach sich ziehen, wenn diese üblicherweise durch ein Pauschalhonorar abgegolten werden. Denn das Foto sei sehr umfangreich verwendet worden und habe als wichtiges Marketinginstrument gedient.

Danach lagen für den BGH sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Auskunftsanspruch nach § 32d UrhG vor. Danach ist dem Urheber mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Nutzung zu erteilen. Auch ein lediglich nachrangiger Beitrag zu einem Werk liege nicht vor. Ein solcher könne insbesondere vorliegen, wenn er den Gesamteindruck oder die Beschaffenheit eines Produkts wenig präge oder nicht zum typischen Inhalt eines Werks oder eines Produkts gehöre. Hier habe aber der Kläger klare Anhaltspunkte dafür vorgelegt, dass er die Auskunft für eine mögliche Vertragsanpassung nach § 32a UrhG benötige.

Auch die Nachrangigkeit sei vorliegend nicht festzustellen. Dies hänge weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der werblichen Nutzung sei auf die Bedeutung für den Produktabsatz abzustellen. Angesichts der Bedeutung der Abbildung auf allen Verpackungen sei eine Nachrangigkeit hier nicht anzunehmen.

Deshalb sei Auskunft über Art und Umfang der Verwertungshandlungen zu erteilen.

Der Grund für die Zurückverweisung des Verfahrens an das OLG München lag dann allerdings in dem von der Beklagten erhobenen Verwirkungseinwand. Das OLG hatte den Verwirkungseinwand als verspätet zurückgewiesen. Dem widersprach der BGH, weil die dem Verwirkungseinwand zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig waren und demnach der Verwirkungseinwand hätte zugelassen werden müssen.

Angesichts des erheblichen Tätigkeitsvolumens des Klägers mit einem durchschnittlichen monatlichen Honorarvolumen zwischen 15.000 und 18.000 Euro sei es nicht auszuschließen, dass der Verwirkungseinwand berechtigt sei, weil der Kläger die Honorierung der einen Fotografie für die besagten Nutzungen über viele Jahre hinweg nicht geltend gemacht oder gefordert habe. Das OLG müsse prüfen, ob die Beklagte sich darauf habe einrichten können und daraus den Schluss ziehen dürfe, dass eine solche Nachforderung nicht mehr geltend gemacht werde. Eine Verwirkung könne jedenfalls für die Zeiträume bis zur erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs auf Nachvergütung vorliegen.

Fazit

Die Entscheidung wirft also ein bedeutendes Licht auf die Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten von Werknutzern für zurückliegende Nutzungen gegenüber den Urhebern.

Der konkret hier vorliegende Verwirkungseinwand ist dabei nur ein Detail des konkreten Falles und hat damit kaum einen über den Einzelfall hinausgehende Effekt. Der bejahte Auskunftsanspruch hat allerdings grundsätzliche Bedeutung, der in vielen Fällen der Werknutzungen Geltung beanspruchen kann. Sowohl für Urheber, als auch Werkverwerter sind daher vernünftige Vergütungsregelungen in den Nutzungsverträgen von großer praktischer Bedeutung, schon um die extrem arbeitsaufwändigen Auskunftsansprüche zu vermeiden.

Prof. Dr. Christian Donle, Rechtsanwalt, Berlin, Preu Bohlig & Partner

 

Über den Autor

Bereits seit 2009 ist Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Donle Ansprechpartner für die BVPA-Bildagenturen und konnte seitdem bei zahlreichen Anfragen helfen. Christian Donle ist gleichermaßen als "klassischer" Prozessanwalt wie als Berater tätig. Er berät und vertritt überwiegend Industrieunternehmen und viele Unternehmen aus dem Mittelstand auf sämtlichen Gebieten des Gewerblichen Rechtsschutzes (Patentrecht, Markenrecht, Designrecht), im Urheberrecht und im Kartell- und Wettbewerbsrecht. Prozessführung gehört zu seinen Schwerpunkten, wobei er auf zahlreiche Prozesse und einstweilige Verfügungen bundesweit zurückblicken kann.

Die Bekämpfung der Produktpiraterie auch im internationalen Kontext ist Teil seiner täglichen Arbeit. Ebenso gehört aber auch die strategische und vertragsgestaltende Beratung von Unternehmen zu seinen Schwerpunkten.

 

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