Das BGH-Urteil „Microstock-Portal“, I ZR 179/22, vom 15. Juni 2023 befasst sich mit der in der Praxis hochrelevanten und umstrittenen Frage, ob ein Urheber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf sein Urhebernennungsrecht nach § 13 UrhG verzichten kann. Der BGH bejaht dies im Ergebnis für die spezielle Konstellation einer Microstock-Verwertung (hier Fotolia).
Der BGH schickt der Entscheidung allerdings zunächst den Grundsatz voraus, dass das Nennungsrecht des Urhebers ein wesentliches und höchstpersönliches Recht und in seinem Kern unverzichtbar ist. Allerdings ist es dem Urheber nach § 13 S. 2 UrhG gestattet, ausdrücklich oder stillschweigend vertragliche Vereinbarungen über die Urheberbenennung zu treffen und auch gegenüber dem Werkverwerter auf die Ausübung des Rechts zu verzichten.
Der Verzicht auf das Urheberbenennungsrecht ist eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung, die in AGB nach § 307 I BGB „im Zweifel“ unwirksam ist, wenn sie den Urheber unangemessen benachteiligt.
Der BGH führt aus, dass der Verzicht auf die Urheberbenennung von der gesetzlichen Regelung des § 13 S. 2 UrhG abweicht und mit einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Es sei die gesetzliche Grundentscheidung, dass der Urheber genannt werden müsse.
Gleichwohl fehle es trotz der Abweichung von der gesetzlichen Regelung in dem Sonderfall eines Microstock-Portals an einer unangemessenen Benachteiligung des Urhebers. § 307 II BGB sieht vor, dass eine solche Abweichung „im Zweifel“ eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstelle. Diese gesetzliche Vermutung könne aber im Einzelfall widerlegt sein. Dies sei bei einem Microstock-Portal der Fall.
Die Entscheidung des Urhebers, seine Fotografie über ein Microstock-Portal zu vermarkten Erfolge mit der Motivation, die hohe Reichweite des Portals zu nutzen und eine große Anzahl von Lizenzierungen zu erreichen. (Der BGH erwähnt, dass der betreffende Urheber insgesamt fast 890.000 Lizenzierungen von Fotografien auf dem Portal erreicht habe.) Der Urheber wolle also einen Massenmarkt bedienen. Dementsprechend sei auch das Geschäftsmodell des Microstock-Portals auf massentaugliche Lizenzbedingungen für die Kunden des Portals ausgerichtet.
In der Konsequenz sei der Verzicht auf die Urheberbenennung für den Urheber vorteilhaft, weil er eine höhere Vergütung erhalte, je häufiger seine Bilder lizenziert werden, und dadurch die nach dem Geschäftsmodell vorgesehenen geringen Lizenzgebühren für den einzelnen Nutzungsfall im Ergebnis kompensiert würden.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Urheber sich freiwillig auf das Geschäftsmodell der Microstock-Portale eingelassen habe. Es existierten andere Agenturen, bei denen der Urheber auf sein Recht auf Urheberbenennung nicht verzichten müsse. Diese sog. Macrostock-Agenturen hätten aber ein anderes Geschäftsmodell. Dort werde eher anspruchsvolles Bildmaterial bereitgestellt und es würden höhere Lizenzen gezahlt. Dementsprechend werde dort auch die Urhebernennung verlangt.
Schließlich sei zu sehen, dass der Urheber jederzeit den Verwertungsvertrag mit dem Microstock-Portal beenden könne und damit für das betreffende Werk auch wieder die Urheberbenennung verlangt werden könne. Diese Aspekte zusammen führen dazu, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung ausnahmsweise keine unangemessene Benachteiligung des Urhebers durch die fehlende Urheberbenennung vorliege. Deswegen sei in diesem Fall der Verzicht auf die Urheberbenennung in AGB keine unangemessene Benachteiligung und damit wirksam.
Fazit
Aus der Argumentationskette des BGH wird deutlich, dass nur die besondere Konstellation die Urheberbenennung entbehrlich erscheinen ließ und damit in AGB zulässig war. Es waren wohl die konsequente Ausrichtung des „Geschäftsmodells“ auf den Massenmarkt und das daraus folgende Bedürfnis nach einfachen Nutzungsbedingungen, welche für den BGH den Ausschlag gaben.
Umgekehrt wird man aber annehmen können, dass in allen anderen Fällen die Urhebernennung zwingend bleibt und auch in AGB nicht abbedungen werden kann. Die Entscheidung dürfte daher mit ihrer Argumentationslinie im Wesentlichen nur die schnelle und billige Massenvermarktung von Bildrechten im Microstock-Markt betreffen und die Erforderlichkeit der Urhebernennung in anderen Gebieten nicht in Zweifel ziehen.
RA Prof. Dr. Christian Donle / Stand 26.10.2023
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