Nach den EU-Staaten hat auch der federführende Rechtsausschuss (JURI) im Europäischen Parlament grünes Licht für die Urheberrechtsreform gegeben. Die endgültige Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments findet Ende März statt. Die CEPIC äußerte sich im Vorfeld der JURI-Abstimmung enttäuscht, weil in letzter Minute Änderungen in den Reformtext verhandelt wurden, die besonders Archiven mit den Schwerpunkten Kunst, Kultur und Geschichte schaden könnten.
Der Richtlinienvorschlag zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt ist heftig umstritten, insbesondere beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger und dem sogenannten Uploadfilter. Weitgehend unbemerkt kamen in den Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission zuletzt noch Änderungen in Artikel 10b und Erwägungsgrund 30a hinzu, die das vom BGH zu recht festgestellte Leistungsschutzrecht für Reprofotos – auch an gemeinfreien Werken – zusammen mit der Schutzfrist für das abgebildete Werk der bildenden Kunst auslaufen - bzw. bei bereits gemeinfreien Werken – erst gar nicht entstehen lassen soll.
Artikel 10b
„Member States shall provide that, when the term of protection of a work of visual art has expired, any material resulting from an act of reproduction of that work shall not be subject to copyright or related rights, unless the material resulting from that act of reproduction is original in the sense that it is the author's own intellectual creation." (S. 199 im Working Paper Nr. 5893/19 + ADD1)
Erwägungsgrund 30a
„The expiry of the term of protection of a work entails the entry of that work in the public domain and the expiry of the rights that Union copyright law provides to that work. In the field of visual arts, the circulation of faithful reproductions of works in the public domain contributes to the access to and promotion of culture (or access to cultural heritage). In the digital environment, the protection of these reproductions through copyright or related rights is inconsistent with the expiry of the copyright protection of works. In addition, differences between the national copyright laws governing the protection of these reproductions give rise to legal uncertainty and affect the cross-border dissemination of works of visual arts in the public domain. Therefore, it should be clarified that certain reproductions of works of visual arts in the public domain should not be protected by copyright or related rights. This should not prevent cultural heritage institutions from selling reproductions, such as postcards." (S. 79 im Working Paper Nr. 5893/19 + ADD1)
Diese „Lex-Wikimedia“ stößt auf Seiten des europäischen Verbandes der Bildagenturen CEPIC auf Ablehnung. Die Reprofotografen würden diskriminiert, die Investitionen in die Digitalisierung des Kulturgutes würden ausbleiben, da sie sich mangels Schutzrecht nicht mehr refinanzieren könnten und der Finanzierungsbeitrag durch die Einnahmen aus dem Verkauf von Reproduktionen den kulturellen Einrichtungen fehlen würde.
Nun könnte man überlegen, sollte das Ergebnis der Trilogverhandlung so verabschiedet und in nationales Recht umgesetzt werden, den dann fehlenden gesetzlichen Schutz gegen Vervielfältigung, Verbreitung und Online-Zugänglichmachung vertraglich zu vereinbaren. Einerseits würde diese Regelung dann aber nur gegenüber dem Vertragspartner wirken und mangels absolutem Schutzrecht nicht gegenüber einem Dritten, und zum anderen gäbe es dann ein entgegenstehendes gesetzliches Leitbild, an dessen Maßstab sich die AGB-rechtliche Kontrolle eines entsprechenden Lizenzvertrages orientieren könnte.
Zudem erscheint gerade in Anbetracht der Neufassung des § 51 Satz 3 UrhG die Abschaffung von Leistungsschutzrechten an Reprofotos gemeinfreier Werke auch nicht notwendig, um den kulturellen Diskurs über die gemeinfreien Werke zu führen. Nutzungsinteressierte müssen sich nur die Mühe machen, eine Erörterungsgrundlage im Bezug auf das Werk zu schaffen, bei der sie dann das Reprofoto des Werkes zu Zitatzwecken nutzen dürfen. Schon dies stellt einen entschädigungslosen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Reprofotografen und seiner Kunden/Lizenznehmer dar. Für einen darüberhinausgehenden Eingriff fehlt die verhältnismäßige und abgewogene Erforderlichkeit.
Schließlich widerspricht es der urheberrechtlichen Systematik der Schutzfristen – auch für Leistungsschutzrechte – diese nicht ihrer inneren Begründung und Sinn und Zweck entsprechend für alle Reprofotos einheitlich zu gewähren, sondern von dem zufälligen Ablauf der Schutzfristen des abgebildeten Werkes abhängig zu machen.
Anhang:
- Statement der CEPIC vom 25.02.2019: http://cepic.org/issues/statement-on-works-of-visual-arts-in-the-public-domain
- Abstimmungsergebnis im Rechtsausschuss des EU-Parlaments vom 26.02.2019: http://www.europarl.europa.eu/cmsdata/161227/2019.02.26_Result%20of%20roll-call%20vote.pdf